Wenn du dich dafür entscheidest, auf tierische Produkte zu verzichten, steht sofort die Frage im Raum: bekomme ich genug Eiweiß? Eiweiß wird assoziiert mit Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern. Dabei gibt es eine ganze Reihen von pflanzlichen Lebensmitteln, die einen ähnlich hohen Eiweißgehalt haben wie tierische Produkte. Aber schauen wir uns zuerst einmal an, wieviel Eiweiß unser Körper überhaupt benötigt, um optimal funktionieren zu können.
Den Eiweißbedarf korrekt berechnen
Wir benötigen zwischen 0,8 und 1,0 g Eiweiß pro kg Normalgewicht. Dein Normalgewicht kannst du mit folgender Formel berechnen:
(Körpergröße in Zentimetern – 100) – 5%
Für jemanden, der 1,70 m groß ist, würde die Berechnung wie folgt aussehen:
170 cm – 100 – 3,5 = 66,5 kg
Das ist natürlich nur ein Durchschnittswert. Menschen, die zierlich gebaut sind, können ohne Weiteres 10% abziehen. Wenn du sehr sportlich oder kräftig gebaut bist, brauchst du gar nichts abzuziehen von der Grundformel. Der Schwankungsbereich für ein gesundes Körpergewicht für jemanden mit einer Körpergröße von 1,70 m wäre also 63 – 70 kg, abhängig vom Körperbau.
Für die Berechnung des täglichen Eiweißbedarf wird dieses Normalgewicht mit 0,8 g oder 1,0 g multipliziert. Wenn wir von einem Normalgewicht von 66,5 kg ausgehen, liegt der tägliche Bedarf bei einer 1,70 m großen Person zwischen 53 und 66 g Eiweiß. Das entspricht ungefähr dem, was wir in Deutschland im Durchschnitt zu uns nehmen. Tatsächlich ist Eiweißmangel in Industrieländern so gut wie nicht existent, eine Risikogruppe stellen lediglich gebrechliche und mangelernährte Senioren dar, und Menschen, die unter Essstörungen leiden.
Eiweißreiche pflanzliche Lebensmittel
Wer sich rein pflanzlich ernähren möchte, kann auf Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide als Eiweißquelle zurückgreifen. Auch pflanzliche Fleischersatzprodukte können zur Deckung des Eiweißbedarf beitragen. Es gibt sogar einige Gemüsesorten, die jede Menge Eiweiß enthalten. Hier ein paar Beispiele:
Eiweißgehalt in g pro 100 g Lebensmittel
Kichererbsen (gekocht): 7,2
rote Linsen (gekocht): 10,2
Kidneybohnen (gekocht): 7,5
Edamame (gekocht): 11,0
Tofu: 14,0
Tempeh: 19,0
Sojamilch: 3,0
Sojajoghurt: 4,0
Alpro Skyr Style: 5,8
Haferflocken: 12,5
Walnusskerne: 14,0
Cashewkerne: 20,0
Haselnusskerne: 12,0
Erdnusskerne: 25,0
Sesamsamen: 20,0
Leinsamen: 28,0
Quinoa (ungekocht): 14,0
Bulgur (ungekocht): 10,6
Couscous (ungekocht): 12,0
Vollkornreis (ungekocht): 7,6
Hirse (ungekoch): 11,0
Vollkornnudeln (ungekocht): 12,0
Roggenvollkornbrot: 6,0
Knäckebrot: 9,0
Leinsamenbrot: 6,2
Like Meat Hähnchen Art: 18,0
Soja-Hack (trocken): 50,0
Brokkoli: 3,8
Champignons: 2,7
Spinat: 2,9
Was, wenn ich keine Hülsenfrüchte vertrage?
Für Veganer sind Hülsenfrüchte eine exzellente Eiweißquelle – aber nicht jeder verträgt sie. Hülsenfrüchte enthalten komplexe Kohlenhydrate, die sehr schwer verdaulich sind. Unverdaute Reste werden von den Bakterien im Dickdarm zersetzt und können unangenehme Blähungen hervorrufen. Wer von klein auf daran gewöhnt ist Hülsenfrüchte zu essen, verträgt sie besser als jemand, der erst im Erwachsenenalter (meist im Rahmen einer Ernährungsumstellung) damit beginnt. Wenn dir Hülsenfrüchte Probleme machen, hier ein paar Tipps:
- Hülsenfrüchte vor dem Kochen solange einweichen, bis sie anfangen zu keimen
- Hülsenfrüchte so lange in reichlich Wasser kochen, bis sie sehr weich sind
- Hülsenfrüchte immer gründlich kauen
- geschälte Hülsenfrüchte verwenden (rote und gelbe Linsen, Chana Dal, Mung Dal)
- Hülsenfrüchte pürieren (z.B. für Hummus)
- regelmäßig kleine Mengen essen, um den Darm daran zu gewöhnen
- für eine gesunde Darmflora sorgen (täglich probiotische und fermentierte Lebensmittel essen)
Wenn das alles nicht hilft, macht es keinen Sinn, sich die Hülsenfrüchte „reinzuquälen“ und permanent unter Bauchschmerzen und Blähungen zu leiden. Eine gute Alternative sind zum Beispiel Tofu oder Tempeh, die deutlich besser vertragen werden, da sie zwar das Eiweiß aus der Sojabohne, aber nicht die Ballaststoffe enthalten. Auch Sojamilch und Sojajoghurt enthalten reichlich Eiweiß; mit einem halben Liter Sojamilch und 150 g Tofu kannst du mühelos einen großen Teil deines Eiweißbedarf decken. Wenn du zusätzlich Vollkornprodukte isst, brauchst du dir um deine Eiweißversorgung keine Gedanken zu machen. Auch Nüsse und Samen können zur Deckung des Eiweißbedarf beitragen, sind aber nicht zwingend notwendig, wenn du auf den Fettgehalt deiner Ernährung achten musst.
Ein beispielhafter Tagesplan
Ich empfehle dir, zu jeder Mahlzeit mindestens ein eiweißreiches Lebensmittel zu essen. Bei drei Hauptmahlzeiten sind 15 – 20 g Eiweiß pro Mahlzeit ideal. Ein Tagesplan könnte zum Beispiel so aussehen (die Zahlen in den Klammern sind der Eiweißgehalt der einzelnen Lebensmittel):
Frühstück
70 g Quinoa (9,8 g)
150 g Sojajoghurt (6,0 g)
150 g Mango (0,9 g)
150 g Himbeeren (1,9 g)
Mittagessen
100 g Vollkornnudeln (12 g)
150 g Vegetarische Bolognese (5 g)
200 g Brokkoli (7,4 g)
1 Banane (1 g)
Abendessen
150 g Vollkornbrot (10 g)
100 g Hummus (6,0 g)
200 g Tomaten (2 g)
100 g Blattsalat (1 g)
Zwischenmahlzeiten
2 Äpfel (1,0 g)
200 ml Sojamilch zum Kaffee (6,0 g)
Mit diesem beispielhaften Tagesplan kommst du mühelos auf 70 g Eiweiß, und das ganz ohne Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte.
Ist zuviel Eiweiß schädlich?
Wenn du sehr gern Sojamilch trinkst oder Sojajoghurt isst, und Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte täglich auf deinem Speiseplan stehen, kommst du sehr schnell über die empfohlenen 1 g Eiweiß pro Kilo Normalgewicht. Ist das ein Problem für deinen Körper? Von tierischem Eiweiß wissen wir, dass ein zu hoher Verzehr das Risiko für Arteriosklerose, Herzerkrankungen, Schlaganfall und Krebs erhöht. Bei pflanzlichem Eiweiß ist das nicht der Fall.
Allerdings ist dein Körper nicht in der Lage, Eiweiß zu speichern – im Gegensatz zu Fetten und Kohlenhydraten. Wenn du mehr Eiweiß als nötig aufnimmst, baut deine Leber die Aminosäuren zu Glukose oder zu Fettsäuren um. Ein Teil wird auch über die Niere ausgeschieden. Für Nierenkranke ist eine zu hohe Eiweißzufuhr gefährlich, ein Gesunder kommt damit gut klar. Es besteht aber keine Notwendigkeit, dauerhaft mehr Eiweiß als nötig zu essen – es ist viel sinnvoller, mehr Obst und Gemüse in den Speiseplan zu integrieren, denn die enthalten wertvolle Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Wenn Du abnehmen möchtest, kann es allerdings empfehlenswert sein, vorübergehend mehr Eiweiß zu essen, da Proteine von allen Nährstoffen den höchsten Sättigungswert haben.
Wer hat einen erhöhten Eiweißbedarf?
Es gibt Menschengruppen, die einen erhöhten Eiweißbedarf haben, dazu zählen Kraft- und Leistungssportler, Stillende und Senioren. Hier eine kleine Übersicht über den Eiweißbedarf dieser Personengruppen:
Kraft- und Leistungssportler: 1,2 – 1,6 g Eiweiß / kg
Stillende: 1,2 g Eiweiß / kg Normalgewicht
Senioren: 1,2 – 1,3 g Eiweiß / kg Normalgewicht
Dieser erhöhte Eiweißbedarf kann komplett über die Nahrung gedeckt werden, zusätzliche Eiweißpräparate sind nicht notwendig, im schlimmsten Fall sogar schädlich.
Fazit: Wieviel Eiweiß brauchen wir wirklich?
- unser tägliche Eiweißbedarf liegt bei 0,8 – 1,0 g pro Kilogramm Normalgewicht
- Senioren, Schwangere und Leistungssportler haben einen höheren Eiweißbedarf
- der Eiweißbedarf kann komplett über pflanzliche Lebensmittel gedeckt werden, wie Hülsenfrüchte, Nüsse, und Vollkorngetreide
- wer Hülsenfrüchte nicht verträgt, kann auf Sojamilch, Sojajoghurt, Tofu und Tempeh zurückgreifen
- es empfiehlt sich, zu jeder Hauptmahlzeit 15-20 g Eiweiß zu essen
Hast Du noch Fragen zu diesem Thema? Schreibe mir gern in den Kommentaren oder direkt an post(at)pflanzliche-ernaehrung.de.