Wie gesund ist eigentlich Kokosöl? Die Diskussion um Kokosöl wird – aus welchen Gründen auch immer – in der Regel sehr unfachlich und häufig auch emotional geführt. In der veganen Community ist das Fett sehr beliebt als Alternative zu Butter oder Pflanzenölen. In der rohveganen Küche ist es nicht wegzudenken, da es Rohkosttorten und anderen Süßspeisen ihre spezielle Konsistenz und Cremigkeit gibt. Auch Paleo-, Keto- und sogar Clean-Eating-Anhänger schwören auf das durchsichtige und bei Zimmertemperatur feste Öl.
Besonders dem „nativen“ Kokosöl werden eine ganze Reihe von gesundheitlichen Wirkungen zugeschrieben. Gleichzeitig gibt es nicht wenige Ernährungswissenschaftler, die darauf hinweisen, dass Kokosöl den Blutfettspiegel erhöht und alles andere als ein gesundes Lebensmittel ist. 2018 bezeichnete die Harvard Professorin Frau Prof. Dr. Dr. Karin Michels in ihrem millionenfach angeklickten Vortrag über Ernährungsirrtümer Kokosöl gefährlicher als Schweineschmalz und als „reines Gift“. Sie sagte damals „Kokosöl ist eines der schlimmsten Nahrungsmittel, das Sie überhaupt zu sich nehmen können.“
Der Vortrag war kurz darauf nicht mehr verfügbar und sie entschuldigte sich öffentlich für diese „Zuspitzung“. Seitdem ist es ruhig geworden um das Thema. Es hat aber nichts von seiner Aktualität verloren, denn Kokosöl ist nach wie vor sehr beliebt und füllt die Regale nicht nur in Biomärkten, sondern hat auch Einzug ins Sortiment der Drogeriemärkte und sogar der Discounter gehalten.
Darum geht es in diesem Post:
Gesundheits-Claims unter der Lupe
Kokosöl werden folgende Eigenschaften zugeschrieben, die maßgeblich zu seiner Erfolgsgeschichte beigetragen haben:
- Es soll beim Abnehmen helfen.
- Es soll das „gute“ HDL-Cholesterin erhöhen.
- Es soll entzündungshemmend & antibakteriell wirken.
- Da es sehr hitzebeständig ist, entstehen beim Braten und Frittieren keine schädlichen Fettsäuren (okay, das ist kein Gesundheits-Claim, nur ein Werbetrick).
Nehmen wir diese angeblich positiven Eigenschaften einfach mal unter die Lupe.
Dass Kokosöl beim Abnehmen helfen soll, ist ein absolutes Ammenmärchen, das auf zwei Studien der Ernährungsmedizinerin Marie-Pierre St-Onge zurückgeht. Ihre Probanden erhielten eine Diät, die reich an mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fetten) war. Tatsächlich konnten sie dadurch ihren Körperfettanteil senken. Allerdings wurde ein Kokosfett verwendet, dass zu 100% aus mittelkettigen Fettsäuren bestand. Das im Handel erhältliche Kokosöl enthält maximal 15% dieser speziellen Fettsäuren.
Die im Kokosöl enthaltenen mittelkettigen Fettsäuren erhöhen tatsächlich den HDL-Spiegel. Aber da sie gleichzeitig den Gesamtcholesterinspiegel (insbesondere das schlechte LDL) erhöhen, ist das komplett irrelevant. Ein hoher HDL-Spiegel allein ist kein Indikator für ein gesundes Herz – das Gesamtbild zählt, also der Gesamtcholesterinspiegel und auch der Triglyzeridspiegel.
Kokosöl wirkt nachweislich entzündungshemmend und antibakteriell, allerdings bei äußerlicher Anwendung oder bei Spülungen im Mund- und Rachenraum. Es wird immer wieder behauptet, dass Kokosöl die Beschwerden bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen lindern könnte – ich habe jedoch keine einzige Studie gefunden, die das belegt. Es macht darum keinen Sinn, bei systemischen Entzündungen oder Infektionen oder sogar Erkrankungen des Darms Kokosöl als Heilmittel einzunehmen.
Kokosöl ist hitzebeständig und besonders gut zum Frittieren und Braten geeignet. Ja, auch das ist richtig. Es erschließt sich mir allerdings nicht, warum das ein Vorteil sein sollte – idealerweise sollten wir überhaupt nichts Frittiertes oder in reichlich Fett gebratenes essen, da ein zu hoher Fettanteil unserer Nahrung zu Übergewicht, zum Metabolischen Syndrom, zu Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und vielem mehr führt.
Statement der Verbraucherzentralen
Da das Thema so kontrovers diskutiert wird, hat sich auch die Verbraucherzentrale dazu hinreißen lassen, ein Statement zur Verwendung von Kokosöl herauszugeben. Die Verbraucherzentrale ist zwar nicht unbedingt meine erste Anlaufstelle wenn es um Ernährungstipps geht, aber hier liegt sie richtig:
- Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Kokosöl besonders gesund ist.
- Es gibt keine Studien, die belegen, dass Kokosöl beim Abnehmen hilft.
- Kokosöl ist relativ teuer und verursacht lange Transportwege.
- In Maßen ist Kokosöl wegen des angenehmen Geschmacks eine passende Zutat für Gerichte, dann aber am besten fair gehandelt und in Bio-Qualität.
- Alle „Health-Claims“, also Gesundheitsversprechen, die Anbieter von Kokosöl auf ihre Produkte drucken wollten, wurden von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht zugelassen.
Aber vielleicht werfen wir erstmal einen Blick auf die Herstellung und die Fettsäurezusammensetzung von Kokosöl.
Herstellung von Kokosöl
Kokosöl wird in der Regel aus getrockneten Kokosnüssen gewonnen. Das Fruchtfleisch wird dafür zerkleinert und mit Hilfe von unterschiedlichen Verfahren ausgepresst. Dabei entstehen Kokosraspeln, Kokosmilch und Kokosfett.
Bei der industriellen Herstellung wird das Kokosfleisch stark erhitzt und dann mechanisch gepresst. Dabei werden chemische Mittel hinzugefügt, um zum Beispiel die Farbe, die Konsistenz und den Geschmack des Öls zu beeinflussen. Das Öl wird raffiniert, gebleicht und desodoriert. Das industrielle Kokosöl ist bei Zimmertemperatur immer hart und ist zum Beispiel in Plattenform als Kokosfett erhältlich.
Natives Kokosöl wird in der Regel kalt gepresst, zumindest bleiben die Temperaturen unter 60 Grad. Natives Bio-Kokosöl wird nicht raffiniert, nicht gebleicht, und auch nicht desodoriert und die Kokospalmen werden ohne Einsatz von schädlichen Pestiziden angebaut.
Fettsäurezusammensetzung
Kokosfett etwa besteht zu 92% Prozent aus gesättigten Fettsäuren. Nur acht Prozent machen ungesättigten Fettsäuren aus, und nur 2% Prozent sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Grundsätzlich sollte eine gesunde Ernährung möglichst viele ungesättigte Fettsäuren enthalten, und nur wenig gesättigte, denn die erhöhen den Blutfettspiegel und das Risiko für Arteriosklerose und Herz-Kreislauferkankungen.
Hier ein Vergleich von Kokosöl mit anderen Fetten:
Wie du unschwer erkennen kannst, hat Kokosöl von allen Fetten das ungünstige Fettsäureprofil. Selbst Butter, Schweineschmalz und Rindertalg schneiden besser ab. Gesättigte Fettsäuren sind deshalb so schädlich, weil sie den Gesamtcholesterinspiegel erhöhen und maßgeblich zur Arterienverkalkung und den daraus resultierenden Erkrankungen wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz beitragen. Kokosöl als ein gesundes Lebensmittel zu vermarkten ist schon echt dreist!
Befürworter von Kokosöl argumentieren in der Regel damit, dass im Kokosfett relativ viele mittelkettige Fettsäuren stecken, die leicht verdaulich sind, weil sie im Gegensatz zu den langkettigen Fettsäuren nicht den Weg über die Lymphbahnen nehmen, sondern direkt ins Blut resorbiert werden. Wer einen gesunden Darm hat, braucht sich aber um die Verdaulichkeit der Fette keine Sorgen zu machen.
Nur wer unter starken Verdauungsbeschwerden und daraus resultierenden Resorptionsstörungen leidet (zum Beispiel als Folge einer Pankreasinsuffizienz, eines Gallensäurenverlustsyndroms, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder eines Kurzdarmsyndroms), für den sind mittelkettige Fette genau richtig. Aber auch dann würde man nicht zu Kokosöl greifen, sondern zu speziell für diese Zwecke entwickelten MCT-Fetten. Aus gesundheitlicher Sicht gibt es sonst keinen Grund, Kokosöl gegenüber anderen pflanzlichen Fetten zu bevorzugen – es spricht eher alles für das Gegenteil.
Was sagt die Wissenschaft?
Natürlich beschäftigt sich auch die Wissenschaft mit dem Thema Kokosöl. Die Zahl der Studien ist relativ groß und schwer überschaubar, ich habe mir ein paar rausgepickt, die ich für relevant halte.
Kokosöl und Insulinresistenz
In einer 2009 veröffentlichten Studie wurde der Effekt von Kokosöl auf verschiedene Stoffwechselparamenter untersucht und mit Sojaöl verglichen. 40 Frauen nahmen über einen Zeitraum von 12 Wochen täglich entweder 30 g Kokosöl oder 30 g Sojaöl ein. Sie wurden zusätzlich angewiesen, sich kalorienreduziert zu ernähren und jeden Tag 50 min spazieren zu gehen.
Im Großen und Ganzen gab es keine Unterschiede zwischen der Sojaöl-Gruppe und der Kokosöl-Gruppe im Hinblick auf die Blutfettwerte und den Bauchumfang. Allerdings bewegten sich die Teilnehmer deutlich mehr als vorher und aßen weniger, eine Verschlechterung des Blutfettspiegels wäre also eher eine Überraschung gewesen. Die Kokosöl-Gruppe nahm sogar minimal ab.
Trotz der Gewichtsabnahme erhöhte sich aber in der Kokosöl-Gruppe die Insulinresistenz, die das grundlegende Symptom des metabolischen Syndroms und des Typ-2-Diabetes ist. Bei jedem, der unter Übergewicht leidet, ist die Insulinempfindlichkeit der Zellen eingeschränkt. Nur mit einer fettarmen, ballaststoffreichen Ernährung kann die Insulinresistenz beseitigt werden. Und Kokosöl hat in dieser Form der Ernährung, die als Whole Food Plant-based Diet bekannt ist, absolut keinen Platz.
Kokosöl und Blutfettspiegel
In einer 2011 durchgeführten Studie wurden 14 junge Frauen gebeten einen Kuchen zu essen, der entweder Kokosöl, Leinöl oder Lebertran enthielt. Die Blutproben, die 6 Stunden nach dem Verzehr genommen wurden, zeigten eine deutliche Erhöhung des LDL-Cholesterols bei Kokosöl und Lebertran, nicht aber bei Leinöl. Was völlig nachvollziehbar ist, da gesättigte Fettsäuren den Cholesterinspiegel erhöhen, nicht aber die ungesättigten. Leinöl hat einen besonders hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, und Lebertran und Kokosöl beide einen besonders hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren.
In einer weiteren, aktuelleren Studie von 2017 wurde Natives Kokosöl mit Sonnenblumenöl verglichen. Zwölf Studienteilnehmerinnen nahmen einen Monat lang täglich 30 g eines der beiden Fette ein. Im Gegensatz zum Sonnenblumenöl erhöhte Kokosöl die Cholesterinwerte, und zwar um 14% gegenüber der Kontrollgruppe. Warum die Autoren trotzdem zu dem Schluss kommen, dass der Konsum von Kokosöl „wahrscheinlich“ sicher ist, erschließt sich mir nicht ganz. Immerhin empfehlen sie, weitere Studien mit mehr Teilnehmern durchzuführen.
In einer gerade erst erschienen Meta-Analyse wurden die Ergebnisse von 16 Studien zum Thema Kokosöl und Cholesterinspiegel verglichen, und sie kamen alle zum gleichen Ergebnis: der Konsum von Kokosöl erhöht das „schlechte“ LDL-Cholesterin.
Ökologische Aspekte
Auch wenn es in diesem Blogpost um die gesundheitlichen Aspekte von Kokosöl geht, möchte ich doch auch auf die ökologischen Aspekte hinweisen. Der Anbau von Kokospalmen ähnelt dem der Ölpalme – die Produktion von Kokosöl ist darum genauso kritisch zu sehen wie die Herstellung von Palmöl. Darüber hinaus ist der Ertrag bei Kokospalmen geringer als bei Ölpalmen – dadurch ist der ökologische Fußabdruck von Kokosöl deutlich höher als der von Palmöl.
Nach einer Studie des WWF könnte der Umstieg von Palmöl jährlich 308 Millionen Tonnen mehr Treibhausgasemissionen und einen Anstieg an illegalen Rodungen verursachen, sollte er zu einem großen Teil auf Kokosöl erfolgen. Ein Grund mehr, Kokosöl im Regal stehen zu lassen.
Fazit: Wie gesund ist Kokosöl?
Kokosöl besteht überwiegen aus gesättigten Fettsäuren, die den Blutfettspiegel erhöhen. Der Gehalt an mittelkettigen Fettsäuren, die einen etwas günstigeren Einfluss auf den Cholesterinspiegel haben, ist entgegen der landläufigen Meinung relativ niedrig und nicht mit MCT-Fetten zu vergleichen. Kokosöl eignet sich nicht zum Abnehmen, da es die Insulinempfindlichkeit der Zellen herabsetzt.
Wer sich gesund und vielseitig ernährt, sein Idealgewicht problemlos halten kann, und auch sonst unter keinen gesundheitlichen Beschwerden leidet, für den sind kleine Mengen Kokosöl unproblematisch. Aber Kokosöl sollte auf keinen Fall täglich gegessen werden und vor allem nicht an Stelle von anderen pflanzlichen Fetten, die immer eine günstigere Fettsäurezusammensetzung haben.
Auch aus Sicht einer vollwertigen Ernährung ist Kokosöl (genau wie alle anderen konzentrierten Fette und Pflanzenöle) nicht empfehlenswert, da es sehr stark verarbeitet ist und während des Herstellungsprozesses wichtiger Nährstoffe beraubt wurde.
Kokosöl hat wie alle anderen Öle mit 900 kcal pro 100 g die höchste Energiedichte überhaupt, und wandert bei einer überkalorischen Ernährung direkt auf die Hüfte. Außerdem hat Kokosfett keinerlei Ballaststoffe und somit auch keinen Sättigungswert.
Ich plädiere grundsätzlich dafür, Öl wegen dem hohen Verarbeitungsgrad und der hohen Energiedichte aus der Küche zu verbannen. Ich persönlich verzichte weitestgehend auf Öl (ich benutze lediglich homöopathische Dosen zur Pflege und zum Schutz meiner beschichteten Pfannen). Meiner Meinung nach ist Öl eines der Lebensmittel, die wirklich überflüssig sind.
Wer unbedingt Öl in seiner Küche braucht, kann auch genauso gut einheimisches Raspsöl oder Leinöl verwenden, die nicht nur beide eine viel günstigere Fettsäurezusammensetzung haben, sondern auch deutlich umweltfreundlicher sind.
Wer den Geschmack von Kokos mag, sollte frische Kokosnüsse und Kokosraspel bevorzugen. Die im Kokosnussfleisch enthaltenen Ballaststoffe senken den Cholesterinspiegel. Aber auch diese Produkte sollten aufgrund des hohen Fettgehalts nur in Maßen gegessen werden. Das Gleiche gilt für Kokosmilch, die zwar weniger Fett enthält als Kokosfett (ca. 20 g / 100 ml), aber auch keine Ballaststoffe, die den negativen Einfluss auf den Blutfettspiegel abfedern könnten.
Ein Teelöffel Kokosraspel über dem Müsli oder 2 bis 3 EL Kokosmilch im Curry oder in Kürbissuppe sind völlig unproblematisch, wenn du kerngesund bist. Nur wer unter Übergewicht, einer Insulinresistenz, Bluthochdruck oder verkalkten Herz-Kranzgefäßen leidet, sollte völlig auf Kokosprodukte verzichten – zumindest solange die Beschwerden bestehen.
Aus der ökologischen Perspektive sind Kokosprodukte eher ungünstige anzusehen, da sie lange Transportwege hinter sich legen und unter schwierigen Bedingungen angebaut werden. Tatsächlich ist der Anbau von Kokospalmen noch schädlicher als der Anbau von Palmölpalmen. Während jedoch Palmöl bereits einen sehr schlechten Ruf hat, wird Kokosöl weiter als „gesundes“ Fett angepriesen.