In Zeiten von Low-Carb und Ketodiäten wird es immer schwerer, anderen den Sinn einer kohlenhydratreichen Ernährung zu vermitteln. Zu tief sitzt der Irrglaube, dass Kohlenhydrate dick machen. Was absolut nicht stimmt. Fett macht fett – deinem Körper widerstrebt es zutiefst, aus Kohlenhydraten Fett aufzubauen. Wenn du mehr Kalorien aufnimmst, als du benötigst, dann wird dein Körper das Fett, dass du zusätzlich isst, ins Fettgewebe transportieren und nur den Zucker zur Energiegewinnung nutzen.
Grundsätzlich gilt: wir brauchen alle drei Nährstoffe. Fett, Kohlenhydrate und Eiweiße, sie alle haben ihre Funktionen in unserem Körper. Und wir Menschen sind sehr anpassungsfähig – wir können sowohl mit einer fettreichen, einer eiweißreichen, und natürlich auch mit einer kohlenhydratreichen Ernährung überleben. Im Laufe der Evolution haben wir uns darauf eingestellt, dass nicht immer alle Nährstoffe in gleichem Maß vorhanden sind.
Darum geht es in diesem Post:
Kohlenhydrate sind der bevorzugte Brennstoff deines Körpers
Trotzdem sind Kohlenhydrate der bevorzugte Brennstoff deines Körpers. Wir können auch aus Fett Energie gewinnen, im Notfall sogar aus Eiweiß. Aber wenn Zucker in deinem Blut vorhanden ist, wird dein Körper immer diesen zuerst verbrennen. Weil es schnell geht und effizient ist. Unsere Zellen sind darauf programmiert, Zucker zu verbrennen um Energie zu gewinnen.
Natürlich können wir unsere Zellen umprogrammieren, damit sie nur noch aus Fettsäuren Energie gewinnen. Man nennt diesen Zustand “Ketose”. Um nicht aus der Ketose ‘herauszufallen’, darf man maximal 20 bis 50 g Kohlenhydrate essen, und 70% der benötigten Energie wird in Form von Fett aufgenommen. Das funktioniert. Man kann damit leistungsfähig sein. Aber es ist nur das Notprogramm deines Körpers, das anspringt, wenn keine Kohlenhydrate vorhanden sind, zum Beispiel aufgrund einer Hungersnot oder eines Ernteausfalls. Für den Körper ist das Überleben das Wichtigste, darum ist er anpassungsfähig. Gesund ist das noch lange nicht, da der übergroße Fettverzehr zu einer Verkalkung deiner Blutgefäße führt.
Ich sag es noch einmal: Kohlenhydrate sind der bevorzugte Brennstoff deines Körpers. Wenn Kohlenhydrate vorhanden sind, nutzt er diese um daraus Energie zu gewinnen. Das Fett, das du zusätzlich isst, wird bei Bedarf ebenfalls verbrannt (wenn die aufgenommenen Kohlenhydrate nicht reichen um deinen Bedarf zu decken). Wenn du insgesamt mehr isst, als du benötigst, werden die Kohlenhydrate verbrannt oder gespeichert, und das Fett wandert ins Fettdepot. Die Kohlenhydrate wandern nicht ins Fettdepot – es sei denn, du isst überirdisch große Mengen (mehr als 800 g am Tag) oder du trinkst literweise Softdrinks.
Nicht alle Kohlenhydrate sind gleich
Wir unterscheiden die Kohlenhydrate in Einfachzucker, Zweifachzucker und Vielfachzucker. Die Einfachzucker bestehen nur aus einem einzigen Zuckermolekül, dazu gehören der Traubenzucker (Glukose), der Fruchtzucker (Fruktose) und der Schleimzucker (Galaktose). Die Einfachzucker gehen sehr schnell ins Blut, da sie nicht enzymatisch aufgespalten werden müssen. Sind sie in Mahlzeiten oder vollwertigen Lebensmitteln verpackt, dauert es länger bis sie resorbiert werden. Aber der Zucker in Säften, Softdrinks und Traubenzucker geht sofort ins Blut. Der Traubenzucker (Glukose) ist als Blutzucker messbar. Der Fruchtzucker hat keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel, kann aber, wenn er in großen Mengen isoliert aufgenommen wird, von der Leber in Fett umgewandelt werden.
Die Zweifachzucker bestehen aus zwei Zuckermolekülen. Dazu gehören der Haushaltszucker (Saccharose), der Malzzucker (Maltose) und der Milchzucker (Laktose). Für diese Zucker brauchen wir Enzyme, um sie aufzuspalten. Sie werden aber auch relativ schnell verdaut, und gehen schnell ins Blut, wenn sie isoliert gegessen werden. Saccharose besteht aus jeweils einem Molekül Traubenzucker und Fruchtzucker, Malzucker besteht aus zwei Molekülen Traubenzucker, und Milchzucker besteht aus je einem Molekül Traubenzucker und Schleimzucker.
Die Vielfachzucker bestehen aus sehr vielen (mehreren hundert bis Tausenden) Traubenzuckermolekülen. Durch die Verknüpfung der Zuckermoleküle untereinander schmecken sie nicht mehr süß. Die bekanntesten Vielfachzucker sind die Stärke (zum Beispiel in Brot und Nudeln), das Glykogen (der Speicherzucker in den Muskeln und der Leber) und die Cellulose, ein Ballaststoff. Von den Vielfachzuckern ist nur die Stärke für uns verdaulich, für die Aufspaltung von Glykogen oder Cellulose fehlen uns die passenden Enyzme. Die Cellulose wird allerdings von den guten Bakterien in unserem Darm verstoffwechselt.
Die Stärke wird durch das Enzym Amylase verdaut. Wir haben dieses Enzym nicht nur im Dünndarm, sondern auch im Speichel. Wenn du sehr lang auf einem Stück Brot kaust, wirst du darum merken, dass es anfängt süß zu schmecken. Die Stärke wird von der Amylase in Glukosemoleküle aufgespalten. Diese Glukosemoleküle haben einen Einfluss auf deinen Blutzuckerspiegel. Besonders wenn du Weißmehlprodukte isst (Toastbrot, weiße Nudeln, weißer Reis), geht der Zucker sehr schnell in dein Blut.
Wenn du aber zucker- oder stärkereiche Lebensmittel isst, die gleichzeitig auch viele Ballaststoffe enthalten, dann werden sie langsamer verdaut und dein Blutzuckerspiegel steigt langsam und gleichmäßig an. Das ist der Grund, warum wir zwischen “guten” und “schlechten” Kohlenhydraten unterscheiden.
Merke:
- komplexe Kohlenhydrate werden langsam verdaut und erhöhen den Blutzuckerspiegel gleichmäßig
- einfache Kohlenhydrate werden sehr schnell verdaut und erhöhen den Blutzuckerspiegel schnell
Es gibt Situationen, in denen es Sinn macht, einfache Kohlenhydrate zu essen um den Blutzuckerspiegel schnell in die Höhe zu treiben. Wenn du zum Beispiel Sport machst, braucht dein Körper schnell Energie. Auch bei Prüfungen ist dein Zuckerbedarf erhöht, da dein Gehirn Zucker zum Arbeiten braucht. Der Verzehr von einfachen Zuckern ist dann weniger schädlich, wenn sie sofort verbraucht werden.
Aber bei unserem Lebensstil heutzutage sind dieses Situationen selten geworden. Die meisten von uns sitzen den halben Tag entweder im Büro, oder in der Schule, oder vielleicht sogar zu Hause am Schreibtisch. In diesen Situationen brauchen wir keine schnell verfügbare Energie. Ballaststoffreiche stärkehaltige Lebensmittel sind hier besser geeignet, deinen Körper konstant mit kleinen Mengen Zucker zu versorgen, die nach und nach verbraucht werden.
Ballaststoffe sind der Schlüssel zur Gesundheit
Es gibt eine ganze Reihe von Kohlenhydraten, die von unserem Körper nicht verdaut werden können, die werden als Ballaststoffe bezeichnet. Ballaststoffen sind quasi unverdauliche Kohlenhydrate. Sie kommen nur in pflanzlichen Lebensmitteln vor.
Ballaststoffe erhöhen das Sättigungsgefühl, sie sorgen für eine langsamere Verdauung, und einen gleichmäßigen Blutzuckeranstieg, damit beugen sie Übergewicht vor. Ballaststoffe senken den Blutfettspiegel, indem sie Cholesterin im Darm binden. Außerdem werden sie von den guten Darmbakterien verstoffwechselt und fördern damit eine gesunde Darmflora.
Ballaststoffe sorgen dafür, dass der Nahrungsbrei schneller durch den Darm transportiert wird, dadurch wird Verstopfung vorgebeugt. Grundsätzlich binden Ballaststoffe alle möglichen schädlichen Stoffe in deinem Darm. Eine ballaststoffreiche Ernährung ist assoziiert mit einem geringeren Risiko Übergewicht zu entwickeln, außerdem senkt diese Ernährung das Risiko, an einer Herz-Kreislauferkrankung, an Stoffwechselerkrankungen, und an bestimmten Krebsarten zu erkranken.
Eine ballaststoffreiche Ernährung hat im Grunde genommen nur gesundheitliche Vorteile. Ballaststoffe kommen aber nur in pflanzlichen, also kohlenhydratreichen Lebensmittel vor. Wenn du dich kohlenhydratarm ernährst, fehlen dir die Ballaststoffe – es sei denn, du isst große Mengen von kohlenhydratarmen Gemüsesorten. Aber gerade die Ballaststoffe in Kartoffeln, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten sind besonders wirkungsvoll. Darauf zu verzichten bedeutet, auf ein gutes Stück Gesundheit zu verzichten.
Wenn du weniger Kohlenhydrate isst, musst du automatische mehr Fett und/oder mehr Eiweiß essen. Große Eiweißmengen können von deinem Körper nicht verwertet werden, da er nicht in der Lage ist, Eiweiß zu speichern. Demzufolge muss überschüssiges Eiweiß über die Niere ausgeschieden werden, was eine große Belastung für deinen Körper ist. Mehr dazu erfährst du in meinem Blogpost Wieviel Eiweiß brauchen wir wirklich?
Eine Erhöhung der Fettmengen hat eine ganz andere Problematik – ein erhöhter Fettspiegel führt zu Arteriosklerose, und die erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Außerdem vermindert Fett die Insulinsensitivität. Mehr über das Thema Fett kannst du in meinem Blogpost Fettbedarf – Warum du Öl von deiner Einkaufsliste streichen solltest nachlesen.
Sekundäre Pflanzenstoffe – die geheime Superpower der Pflanzen
Wie der Name schon sagt, kommen sekundäre Pflanzenstoffe nur in Pflanzen vor. Dazu gehören zum Beispiel Antioxidantien, Farbstoffe, Gerbstoffe oder Bitterstoffe. Es gibt mehrere Tausend von diesen Stoffen, die meisten sind noch nicht einmal erforscht. Aber was wir definitiv wissen, ist dass jeder einzelne dieser Stoffe positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Sekundäre Pflanzenstoffe können den Blutzucker- und Bluttfettspiegel senken, Krebs vorbeugen, das Immunsystem stärken und vieles mehr.
Eine hohe Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen kann dir dabei helfen, gesund zu werden und gesund zu bleiben, und das bis ins hohe Alter. Ich vermute, du möchtest wenn du einmal in Rente bist (auch wenn das noch sehr weit weg sein mag) deine Zeit nicht im Wartezimmer von Ärzten verbringen. Eine gesunde Ernährung ist der Schlüssel zu einem gesunden Altern. Sich kohlenhydratarm zu ernähren bedeutet, auf all diese wertvollen sekundären Pflanzenstoffe zu verzichten.
Wann eine kohlenhydratarme Ernährung “Save” ist
Eine kohlenhydratarme Ernährung ist dann save, wenn du weniger Kalorien zu dir nimmst, als du benötigst. Sie ist dann save, wenn du nicht übermäßig viele tierische Fette konsumierst. Sie kann auch als save betrachtet werden, wenn du Leistungssport betreibst und deinen Körper auf eine ketogene Ernährung umgestellt hast. Es ist allerdings notwendig, dass du dann gleichzeitig viel Gemüse, insbesondere grünes Blattgemüse isst.
Grundsätzlich muss ich dir aber sagen, dass die Risiken einer fett- und eiweißreichen Ernährung überwiegen, und eine kohlenhydratarme Ernährung nur über einen begrenzten Zeitraum durchgeführt werden sollte, wenn überhaupt. Es macht viel mehr Sinn, schnell verdauliche Zucker einzuschränken und nur kohlenhydratreiche Lebensmittel zu essen, die auch gleichzeitig ballaststoffreich sind.
Wichtig: eine kohlenhydratarme Ernährung ist absolut nicht für dich geeignet, wenn Du unter einer Herzerkrankung, einer Gefäßerkrankung, einer Nierenerkrankung, oder eine Stoffwechselerkrankung (Insulinresistenz, Diabetes, Gicht, Hypercholesterinämie) leidest.
Wie Kohlenhydrate dir dabei helfen, Gewicht zu verlieren oder dein Gewicht zu halten
Im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung, dass Kohlenhydrate dick machen, helfen sie dir in Wirklichkeit beim Abnehmen und auch beim Halten deines Gewichts. Komplexe Kohlenhydrate sorgen für ein langanhaltendes Sättigungsgefühl und sie sorgen für einen gleichmäßigen Blutzuckerspiegel. Beides bewahrt dich davor, mehr zu essen, als du benötigst.
Kohlenhydrate haben weniger als halb soviel Kalorien und damit eine niedrigere Energiedichte als Fett. Darum kannst du mehr als die doppelte Menge Kohlenhydrate essen bei gleichem bzw. sogar geringerem Energiegehalt. Da das Sättigungsgefühl unter anderem vom Füllungszustand deines Magens abhängt, helfen dir komplexe Kohlenhydrate dabei satt zu werden. Fette haben überhaupt keinen bzw. einen vernachlässigbaren Sättigungswert. Warum solltest du also Kohlenhydrate gegen Fett austauschen? Das macht keinen Sinn! Umgekehrt wird ein Schuh draus! Wenn du Fett durch komplexe Kohlenhydrate ersetzt, wirst du automatisch abnehmen – schon allein weil die Kohlenhydrate weniger Energie haben als das Fett und länger satt machen.
Außerdem behindert Fett die Insulinempfindlichkeit deiner Leber- und Muskelzellen, dadurch muss die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin ausschütten als eigentlich notwendig. Ein hoher Insulinspiegel führt aber dazu, dass dein Körper Fett aufbaut und er verhindert, dass Fett abgebaut wird – und genau das möchtest du doch vermeiden, oder?
Leider verstehen zu viele diesen Mechanismus nicht. Sie denken, Kohlenhydrate erhöhen den Blutzuckerspiegel, also erhöhen sie den Insulinspiegel. Wenn du sehr viel Zucker auf einmal isst (zum Beispiel wenn du einen Liter Cola trinkst), dann ist das auch der Fall. Aber komplexe Kohlenhydrate erhöhen den Blutzucker viel gleichmäßiger und geringer, und wenn deine Mahlzeit gleichzeitig fettarm ist, dann ist das Insulin auch in der Lage, den Zucker schnell in die Zellen zu transportieren und der Blutzuckerspiegel sinkt wieder. Und Eiweiß kann den Blutzuckerspiegel auch erhöhen, und kohlenhydratarme Diäten sind meist eiweißreich.
Fazit Warum wir Kohlenhydrate brauchen
- Kohlenhydrate haben völlig zu unrecht einen schlechten Ruf
- unsere Zellen sind darauf programmiert, Zucker (also Kohlenhydrate) zu verbrennen
- der Umbau von Kohlenhydraten in Fett ist kompliziert und findet nur statt, wenn extrem große Mengen Zucker aufgenommen werden
- bei einer überkalorischen Ernährung verbrennt dein Körper die Kohlenhydrate und baut aus dem Nahrungsfett Körperfett auf
- Einfach- und Zweifachzucker gehen schneller ins Blut und erhöhen den Blutzucker stärker als komplexe Kohlenhydrate; besonders der Zucker aus Säften schießt sofort ins Blut
- Kohlenhydratreiche Lebensmittel sind meist auch ballaststoffreich, und Ballaststoffe haben unzählige positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit
- Kohlenhydratreiche Lebensmittel enthalten immer zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe, die ebenfalls deine Gesundheit fördern
- kohlenhydratarmen Diäten fehlt es an Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen, und sie enthalten zuviel Fett (schädlich für unsere Blutgefäße) und zuviel Eiweiß (belastet die Niere)
- eine kohlenhydratarme Ernährung sollte nur über einen begrenzten Zeitraum durchgeführt werden und nur wenn man kerngesund ist
- eine Ernährung, die reich an komplexen Kohlenhydraten und fettarm ist, hilft beim Abnehmen und beim Halten des Gewichts
Ich hoffe, dieser Blogpost war nicht zu lang oder zu kompliziert. Wenn du noch Fragen hast, lass es mich in den Kommentaren wissen!