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Gesund alt werden – Was wir von den Blue Zones lernen können

Jeder von uns möchte gern lang leben und gesund alt werden. Alt werden ist nicht das Problem, die heutige Medizin ist fortschrittlich und effektiv – verstopfte Herzkranzgefäße werden wieder geöffnet, Tumore herausgeschnitten oder chemisch oder radiologisch bekämpft, und es gibt für jedes Leiden eine Pille oder ein Pülverchen.

Die eigentliche Herausforderung besteht darin, gesund alt zu werden. Dafür hat die moderne Medizin kein Rezept, sie ist nicht auf Prävention ausgerichtet, sondern nur auf die Therapie von Krankheiten. Das Rentenalter ist für mich zwar noch ein paar Jährchen weg, aber ich mache mir jetzt schon Gedanken, wie ich diese Zeit verbringen möchte. Reisen und mich für soziale Projekte engagieren stehen ganz oben auf meiner Liste. Im Wartezimmer von Ärzten herumsitzen und jeden Morgen meine Tabletten abzählen dagegen nicht.

Gesund alt werden - wie kann das gelingen? Ein Blick darauf, wie die Menschen in den Blue Zones leben, gibt Antworten darauf.
Wie kann gesundes Altern gelingen?

Wenn wir etwas über gesundes Altern lernen wollen, dann müssen wir uns Populationen anzuschauen, in denen Langlebigkeit die Norm ist. Es gibt einige Regionen auf der Erde, in denen Menschen länger leben als der Durchschnitt, und bis ins hohe Alter ein aktives Leben führen – diese Regionen werden auch als “Blue Zones” bezeichnet.

Der Begriff “Blue Zones” wurde von Dan Buettner geprägt, von dem im November 2005 in der National Geographic ein Artikel mit der Überschrift “The secrets of a long Life” erschien. Dan Buettner hat 5 Blue Zones identifiziert. Diese hat alle selbst bereist, zahlreiche Interviews mit den Menschen dort geführt, und zwei Bücher darüber geschrieben.

Es gibt einige Hauptmerkmale, die auf alle Blue Zones zutreffen. Dazu gehören:

  • ein starker Familienzusammenhalt
  • ein stressfreies Leben
  • regelmäßige Bewegung
  • eine vollwertige, gemäßigte Ernährung

Auch wenn die Ernährung nur einer von mehreren Faktoren ist, spielt sie doch eine sehr große Rolle im Hinblick auf die Entstehung von Übergewicht, Stoffwechselstörungen, Herzerkrankungen und Krebs. Die Menschen, die in den Blue Zones leben, ernähren sich von wenig verarbeiteten Lebensmitteln und überwiegend pflanzlich. Fast Food und Lebensmittelzusatzstoffe sind dort unbekannt. In diesem Blogbeitrag stelle ich dir die Besonderheiten der Ernährung in den Blue Zones vor.

Die Blue Zones im Überblick

Zu den Blue Zones gehören: Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), die Nicoya-Halbinseln (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und die Siebenten-Tags-Adventisten in Loma Linda (Kalifornien). Diese Zonen sind quasi Langlebigkeit-Hotspots und Dan Buettner wollte herausfinden, woran da liegt.

Blue Zone #1: Ikaria, Griechenland

Die kleine griechischen Insel Ikaria liegt sehr abgeschieden in der nördlichen Ägäis. Die rund 8.500 Einwohner waren immer schon darauf angewiesen, den größten Teil ihrer Lebensmittel selbst anzubauen. Sie haben ein sehr aktives Sozialleben, bleiben abends lange auf, und schlafen morgens aus. Uhren gibt es nicht auf der Insel – die Menschen leben nach ihrer inneren Uhr.

Die Ikarier ernähren sich von dem, was vorhanden ist: wenig Fleisch, dafür viele Hülsenfrüchte, Wildgemüse, Früchte, Kräuter, Fisch, Oliven, Ziegenmilch und Schafskäse. Das Frühstück besteht in der Regel aus Ziegenjoghurt, Tee oder Kaffee, Vollkorn-Sauerteigbrot und lokalem Honig. Manche trinken morgens sogar ein bisschen Wein.

Blue Zone Ikaria, Griechenland. Die Hundertjährigen von Ikaria schlafen jeden Tag aus und treffen sich abends mit Freunden.
Die Bewohner von Ikaria sind bis ins hohe Alter aktiv. Bildquelle: www.bbc.com

Mittags gibt es Kartoffeln, Bohnen, Linsen, Olivenöl und selbst angebautes Gemüse. Hin und wieder gibt es frischen Fisch. Fleisch dagegen wird nur selten gegessen, meist wird pro Familie nur ein Tier pro Jahr geschlachtet und das Fleisch über mehrere Monate rationiert. Raffinierter Zucker, weißes Mehl und andere stark verarbeitete Lebensmittel sind auf Ikaria unbekannt. Statt dessen wird eine große Bandbreite frischer, selbst gezogener Kräuter zum Kochen verwendet.

Nachmittags halten die Ikarier ein kleines Schläfchen. Das Abendessen besteht aus Ziegenmilch, Gemüse, und Brot. Die Abende werden meist gesellig mit den Nachbarn verbracht. Der Anteil der über 90-jährigen ist auf Ikaria zehnmal höher als im europäischen Durchschnitt. Herzinfarkt, Krebs und Demenz sind seltener als bei uns.

Blue Zone #2: Okinawa, Japan

Okinawa ist eine ca. 1200 qm große Insel im Ostchinesischen Meer südwestlich von Japan. Die Menschen auf Okinawa ernähren sich primär von Kohlenhydraten – eiweißreiche und fettreiche Lebensmittel spielen nur eine untergeordnete Rolle. Außerdem essen die Menschen dort nur so lange, bis sie zu 80% voll sind.

Seetang ist auf Okinawa ein fester Bestandteil des Speiseplans.
Seetang ist auf Okinawa ein fester Bestandteil des Speiseplans. Bildquelle: www.bluezones.com

Ähnlich wie die Ikarier bauen die Menschen auf Okinawa vieles selbst an. Ihr Speiseplan besteht zu 60% aus Gemüse (Süßkartoffeln, Seetang, Bambussprossen, Rettich, Bittermelone, Kohl, Möhren, Okra, Kürbis und grüne Papaya), zu 33% aus Getreide (Hirse, Weizen, Reis und Nudeln), 5% aus Sojaprodukten (Tofu, Miso, Edamame), und 1-2% aus Fleisch und Fisch. Das Hauptgetränkt ist Jasmintee, der reich an sekundären Pflanzenstoffen ist. Das gesunde Gewürz Kurkuma wird ebenfalls reichlich verwendet.

Viele Ernährungswissenschaftler würden diese Ernährung als zu einseitig und nicht ausgewogen beschreiben, tatsächlich leben aber auf Okinawa mehr Hundertjährige als irgendwo sonst. Herzerkrankungen, Krebs und Diabetes treten nur selten auf, sicher zurückzuführen auf den hohen Ballaststoffgehalt der Nahrung, der weitestgehenden Abwesenheit von tierischem Eiweiß und dem hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen.

Blue Zone #3: Sardinien, Italien

Sardinien ist die zweitgrößte Insel im Mittelmeer. Auch hier ist die Zeit ein Stück weit stehen geblieben und die Menschen leben noch sehr traditionell, und ernähren sich überwiegend von selbst Angebautem.

Die Diät der Sardienier (zumindest der, die heute hochbetagt sind), sieht wie folgt aus: Vollkornprodukte (Hartweizen, Gerste, Sauerteigbrot), Ziegenmilch, Ziegenkäse, Gemüse (Kartoffeln, Tomaten, Fenchel, Mais, Zwiebeln Sellerie), viele Hülsenfrüchte (Kichererbsen, Fava Bohnen), Walnüsse und Maronen, saisonal frische Feigen und Trauben, sehr wenig Fleisch, Fisch und Geflügel. Das Rezept für eine klassische Minestrone, die auf Sardinien jeden Tag gegessen wird, findest du hier.

Blue Zones, Sardinien. Hier leben die Menschen besonders lang. Die Ernährung spielt dabei eine große Rolle.
Der Familienzusammenhalt ist auf Sardinien besonders groß. Bildquelle: www.bluezones.com

Auf Sardinien ist der Familienzusammenhalt besonders stark. Ältere Menschen leben mit ihren Kindern, nicht in Pflegeheimen. Sie werden für ihre Lebenserfahrung wertgeschätzt und sind voll ins Familienleben integriert.

Die traditionelle sardinische Diät, wie sie hier beschrieben wird, findet sich heute allerdings kaum noch auf Sardinien, und nur in abgelegenen Bergregionen. Der Rest der Sardinier ernährt sich heute deutlich kalorien-und fettreicher, der Fleischverzehr ist auf das Doppelte angestiegen; dagegen werden nur noch halb soviel Hülsenfrüchte gegessen. Dementsprechend häufiger treten Zivilisationskrankheiten auf.

Blue Zone #4: Nicoya, Costa Rica

Unser Wissen über Nicoya kommt von einer Studie, die CRELES genannt wird (Costa Rican Longevity and Healthy Aging Study). Das Ziel der Studie war es, herauszufinden, wie alt die Menschen dort werden und was zur Langlebigkeit beiträgt.

Der Speiseplan der Nicoyaner besteht primär aus schwarzen Bohnen, Reis, Mais, Mais-Tortillas, Kürbis, Papaya, Yams-Wurzeln, Bananen, Früchten der Pfirsichpalme, Orangen und Kochbananen. All diese Lebensmittel werden lokal angebaut und sie enthalten keinerlei Zusatzstoffe. Fisch, Fleisch und Geflügel machen nur 5% der gesamten Ernährung aus.

Blue Zone Nicoya, Costa Rica. Bohnen, Reis und Kochbananen stehen hier täglich auf dem Speiseplan.
Bohnen, Reis und Kochbananen stehen täglich auf dem Speiseplan in Nicoya, Costa Rica. Bildquelle: www.bluezones.com

Die Nicoyaner bereiten ihre Mais-Tortillas jeden Tag frisch zu. Der Mais wird dafür in Wasser und Limettensaft eingeweicht, eine Tradition die bestimmte Nährstoffe wie B-Vitamine und Eiweiße besser verfügbar macht. Das Rezept für ein traditionelles Reis und Bohnengericht aus Costa Rica findest du hier.

Blue Zone #5: Loma Linda, Kalifornien

Es gibt auch in Amerika eine Blue Zone, und zwar in Loma Linda, Kalifornien. Dort leben ca. 9000 Siebenten-Tags-Adventisten. Es gibt eine Serie von Studien, die mit dieser speziellen Population durchgeführt wurden, mehr darüber lesen kannst du in meinem Blogpost Die Lehren aus Adventist Health Studies.

Hier eine kurze Zusammenfassung: Die Siebenten-Tags-Adventisten sind eine Freikirche, die sich 1863 von der evangelischen Kirche abgespaltet hat. Adventisten leben aus religiösen Gründen sehr gesund – sie trinken zum Beispiel keinen Alkohol und keinen Kaffee, sie rauchen nicht, und viele ernähren sich vegetarisch.

Blue Zone Loma Linda, Kalifornien. Eine gesunde Ernährung, Bewegung, und die Abstinenz von Alkohol und Tabak verhelfen den Adventisten in Loma Linda zu einem besonderen langen Leben
Ein gesunder Lebensstil und ihr Glaube verhilft den Adventisten in Loma Linda zu einem langen Leben. Bildquelle: www.bbc.com

Der Speiseplan der Adventisten in Loma Linda besteht überwiegend aus Vollkornbrot, Obst, Nüssen, Gemüse, Wasser, Avocados, Hülsenfrüchten, und Haferflocken. Fleischersatzprodukte auf Soja- oder Weizenbasis sind sehr dort sehr populär, auch Sojamilch ist weit verbreitet. Mehr als die Hälfte der Adventisten ernährt sich in irgendeiner Form vegetarisch (8% vegan, 28% ovo-lakto-vegetarisch, 10% essen auch Fisch, und 6% essen weniger als einmal in der Woche Fleisch oder Fisch).

Die Adventisten in Loma Linda leben 4 bis 6 Jahre länger als kalifornische Nicht-Adventisten, und leiden sehr viel seltener an Herzerkrankungen, Stoffwechselstörungen und Krebs. Mehr dazu kannst du wie gesagt in meinem Blogpost Die Lehren aus den Adventist Health Studies lesen.

Fazit: Was wir von den Blue Zones lernen können

Es gibt nicht die “eine” Ernährung, die ein langes Leben garantiert. Aber eins haben die Menschen, die in den Blue Zones leben, gemeinsam: sie ernähren sich überwiegend von vollwertigen pflanzlichen Lebensmitteln wie Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse, Nüssen und Früchten. Diese Lebensmittel sind reich an Ballaststoffen, sekundären Pflanzenstoffen, und sie haben einen niedrigen glykämischen Index, sie lassen den Blutzuckerspiegel also nicht übermäßig in die Höhe schießen wie raffinierter Zucker oder weißes Mehl.

Die Familie, Freunde und körperliche Bewegung hat in allen Blue Zones eine große Bedeutung – Stress ist dagegen ein Fremdwort. Viele Senioren bauen körperlich und geistig ab, sobald sie das Rentenalter erreicht haben, weil sie den “Sinn” ihres Lebens verlieren. Dieses Phänomen kennen wir aus Industrienationen, aber nicht von traditionell lebenden Kulturen. Wenn der Fokus immer nur auf Arbeiten gehen und Geld verdienen liegt, was bleibt dann, wenn der Job nicht mehr der Mittelpunkt des Leben ist? Ehrenämter sind eine gute Möglichkeit, sich einzubringen und dem eigenen Leben auch im Alter eine Bedeutung zu geben.

Was mir wichtig ist, festzustellen: Keine der uns bekannten Populationen ernährt sich rein pflanzlich. Lebensmittel tierischen Ursprungs stehen in allen Kulturen in irgendeiner Form auf dem Speiseplan. Allerdings nicht in dem Ausmaß, wie in Industrieländern üblich. Hin und wieder mal ein Stück Fleisch von einem Tier zu essen, dass artgerecht und gesund lebt, steht in keinem Verhältnis dazu, jeden Tag mehrmals Fleisch oder Wurst zu essen von Tieren, die nur als Fleischlieferanten gezüchtet werden in riesigen Anlagen fernab der Öffentlichkeit – und die unter unfassbaren und krankmachenden Zuständen leben und würdelos sterben müssen.

Bemerkenswert ist, dass die Veganer in Loma Linda länger leben und gesünder sind als Adventisten, die sich vegetarisch ernähren oder Fleisch essen. Je mehr pflanzliche Lebensmittel auf dem Speiseplan stehen, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, Stoffwechselstörungen, Herz- und Krebserkrankungen. Dementsprechend höher ist natürlich auch die Lebensqualität im Alter.

Der Spruch “Man lebt nur einmal” wird oft missverstanden und als Entschuldigung benutzt, zu leben als gäbe es kein Morgen. Dabei liegt es zum großen Teil in unserer Hand, wie alt wie werden, und wie wir alt werden. Gesund und aktiv, oder krank und auf fremde Hilfe angewiesen. Eine Ernährungsumstellung auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung kostet Zeit und Energie, aber es wir werden im Alter dafür belohnt.

In diesem Blogpost erfährst du, warum die Menschen in den Blue Zones besonders lang leben.

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